30. Januar 2017
Vielen Städten droht in diesem Jahr eine Privatisierung ihrer Busverkehre. Ursache dafür ist der sogenannte Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre. Hier muss dringend umgesteuert werden.
Im Januar 2016 erhielt in Pforzheim ein privates Busunternehmen nach einem entsprechenden Antrag eine „eigenwirtschaftliche“ Genehmigung zum Betrieb des gesamten Stadtverkehrs vor einer entsprechenden Direktvergabe an das städtische Verkehrsunternehmen. In der Folge musste das städtische Verkehrsunternehmen vollständig abgewickelt werden. Ähnliche Vorgänge werden aus Hildesheim, Oldenburg, Leverkusen oder Hamm berichtet. In 2017 werden weitere öffentliche Verkehrsbetriebe bedroht sein, weil jetzt viele Verkehrsverträge, die noch nach altem Recht auf dem Weg gebracht wurden, auslaufen.
Mit der letzten Novelle des Personenbeförderungsgesetzes hat der Gesetzgeber den Vorrang „eigenwirtschaftlicher“ Verkehre im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) neu justiert. Danach ist es möglich, dass sogenannte eigenwirtschaftliche Konkurrenzanträge für Linienverkehre des ÖPNV genehmigt werden, obwohl sie öffentliche Zuschüsse für die Beförderung von Schülern und Menschen mit Behinderungen erhalten. Der Begriff „Eigenwirtschaftlichkeit“ täuscht darüber hinweg, dass auch sogenannte eigenwirtschaftliche Verkehre zu entscheidenden Teilen mit Steuermitteln finanziert werden. Es handelt sich dabei also um eine konstruierte Eigenwirtschaftlichkeit. Der Vorrang sogenannter eigenwirtschaftlicher Verkehre kann zu einer Genehmigung von Nahverkehrsleistungen führen, ohne dass ein vergaberechtlicher Wettbewerb stattfindet, den die kommunalen Aufgabenträger über soziale und ökologische Kriterien gestalten können und ohne dass eigene kommunale Unternehmen den vorab genehmigten eigenwirtschaftlichen Verkehren Konkurrenz machen können.
Dieser Rechtsrahmen hat zur Folge, dass eine Vielzahl von den im Jahr 2017 auslaufenden Verkehrsverträgen zwischen den Kommunen und ihrem kommunalen Verkehrsunternehmen zur Disposition stehen, weil private Unternehmen vermeintlich aus eigener wirtschaftlicher Kraft die Verkehrsleistung mit deutlich niedrigeren Löhnen erbringen können. Dadurch werden nicht nur die kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Die Beschäftigten laufen Gefahr, ihre fairen tariflichen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen zu verlieren. Es drohen deutliche Lohneinbußen und schlechtere Arbeitsbedingungen.
Gleichwohl hat die Große Koalition erklärt, dass sie das Personenbeförderungsgesetz erst einmal im Frühjahr evaluieren möchte. Fakt ist, dass mit der CDU/CSU eine Einschränkung des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre nicht zu machen sein wird. Das Thema wird von der Großen Koalition ausgesessen. Eine Neuausrichtung der Vergabekriterien im Personenbeförderungsrecht ist bis zur Bundestagswahl nicht in Sicht. Und danach ist fraglich, ob und wann die Kommunen mit einem rechtssicheren Rahmen für ihre kommunalen Busunternehmen rechnen können. Wenn die GroKo das Thema weiter aussitzt, wird es für viele kommunale Verkehrsbetriebe auf Messers Schneide stehen.
Das ist ein Affront für die Beschäftigten in den kommunalen Verkehrsbetrieben und die Kommunalpolitik.
Um den Handlungsdruck zu erhöhen, fordern wir in einem Bundestagsantrag die Große Koalition auf, umgehend Rechtssicherheit zu schaffen und den Konkurrenzschutz für sog. eigenwirtschaftliche Verkehre abzubauen. Statt eigenwirtschaftlicher Genehmigungen am kommunalen Aufgabenträger vorbei muss es in Zukunft möglich sein, dass die Kommunen öffentliche Interessen im ÖPNV durchsetzen können. Im Rahmen von Dienstleistungsverträgen muss es den Kommunen ermöglicht werden, Direktvergaben vorzunehmen und soziale und ökologische Standards zu definieren.
Mehr dazu in unserem Antrag „Fairen Wettbewerb und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen“