27. März 2015
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
In der Tat ist es für uns alle heute sehr schwer – das will ich eingangs sagen –, einen ganz normalen Parlamentsalltag zu bestreiten, denn wir sind in Gedanken bei den Opfern der Flugzeugtragödie und ihren Angehörigen; aber es ist unsere parlamentarische Pflicht. Ich sage das am Anfang, weil wir heute ein wichtiges Gesetz beraten. Da haben wir die Verantwortung und die Pflicht, hier auch in der Sache zu streiten, zu diskutieren und um Lösungen zu ringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das kann man doch nur machen, wenn es auf der Tagesordnung steht! Setzen Sie es doch auf!)
Nun zur Sache selbst, meine Damen und Herren: Den Aufsetzungsantrag der Unionsfraktion und auch der Fraktion der SPD zum Thema Maut – die SPD-Fraktion möchte zu der gewünschten Aufsetzung heute ja nicht einmal reden –
(Christine Lambrecht [SPD]: Wir sind uns so einig; da brauchen wir das nicht! Es ist alles gesagt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Das zeugt von wechselseitigem Vertrauen!)
werden wir heute ablehnen.
Herr Straubinger, wenn Sie hier vor dem Plenum sagen, Sie hätten bisher kein Gesetz erlebt, was so intensiv diskutiert worden sei, dann frage ich mich: Wo waren Sie eigentlich in der gesamten Zeit, die Sie hier im Parlament sitzen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wirklich, wir sind hier doch nicht in Bayern am Stammtisch.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da ist es oft sehr geordnet!)
Das Ding ist doch nicht beratungsreif. Es ist nicht entscheidungsreif. Was hier stattfindet, ist eine Entparlamentarisierung des Parlamentes – das haben wir hier! –,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Wieso das denn?)
und zwar aus folgendem Grund, meine Damen und Herren – deshalb rede ich hier zur Geschäftsordnung –: Es besteht erheblicher weiterer Beratungsbedarf
(Gustav Herzog [SPD]: Nein!)
über die Europarechtswidrigkeit der Abgabe, über das drohende Vertragsverletzungsverfahren, über die Änderungsanträge, die zum Beispiel den Rechtsausschuss um 7.48 Uhr am Mittwochmorgen erreichten und den mitberatenden Finanzausschuss um 8.01 Uhr am Mittwochmorgen erreichten, wobei um 9.30 Uhr schon die Ausschusssitzungen begannen, in denen dann über dieses so komplexe Gesetz beraten werden sollte. In diesen Änderungsanträgen, die uns morgens vorgelegt wurden, sind enthalten: die Einführung einer neuen Infrastrukturabgabebehörde und die Auflistung ihrer Aufgaben, die Frage der neuen Datenaufbewahrungsregelung, die Festlegung einer neuen Preisstruktur. All das sind Themen, die nicht ausreichend diskutiert werden konnten.
(Zurufe von der SPD)
Das alles war in den Änderungsanträgen, die morgens um 7.48 Uhr bzw. 8.01 Uhr vorgelegt wurden.
(Sören Bartol [SPD]: Wir machen Änderungen! Das ist doch gut! Das soll man loben!)
Hier findet kein ordentliches Beratungsverfahren statt, und deshalb kann dieser Aufsetzung nicht zugestimmt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das trifft auch auf die ganzen Fragen der Festlegung einer neuen Preisstruktur für Kurzzeitvignetten, der veränderten Kosten für die Betreiber zu. Sie haben der Opposition, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken, hier eine weitere Anhörung, die aufgrund der neuen Sachverhalte notwendig gewesen wäre,
(Sören Bartol [SPD]: Nein, wäre sie nicht! Wir haben alles in der Anhörung besprochen! Das stimmt nicht!)
versagt. Damit haben Sie auch grobe Verfahrensverstöße in diesem Verfahren begangen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Eine gründliche Beratung war durch die späte Vorlage der Änderungsanträge nicht möglich. Eine Anhörung, die aufgrund der Neuerungen gerechtfertigt gewesen wäre und beantragt worden ist, haben Sie uns im federführenden Ausschuss versagt. Materiell sind diese Gegenstände in der vorherigen Anhörung nicht erörtert worden. Das alles sind grobe Verfahrensverstöße, die begründen, weshalb eine Aufsetzung heute nicht gerechtfertigt ist, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Deshalb sage ich Ihnen allen, die Sie sich bei diesem Projekt bisher weggeduckt haben, bisher immer wieder so getan haben, als sei es ein Projekt von Dobrindt und der CSU: Wenn Sie heute diesem Aufsetzungswunsch zustimmen und am Ende auch noch der Maut zustimmen, dann, liebe SPD, ist Schluss mit lustig! Dann ist das auch Ihr Projekt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)
Was haben Sie sich weggeduckt in der Debatte! Was waren das für hehre Sprüche nach dem Motto: „Kein Gesetz verlässt das Parlament …“, „Hier gibt es ein ordentliches Beratungsverfahren“.
(Sören Bartol [SPD]: Wie ist das mit Biblis in Hessen? Was macht ihr da? Meine Güte! – Christine Lambrecht [SPD]: Was ist mit NSU in Hessen? Wie verhaltet ihr euch da?)
Wo ist denn das ordentliche Beratungsverfahren geblieben? Mit Zustimmung zu den Gesetzentwürfen ist die Maut ab heute auch eine Maut von Angela Merkel und der SPD, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)