Lobbyregister endlich einführen

10. Juni 2016

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Austausch von Politik und Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern ist für eine funktionierende Demokratie wichtig. Lobbyistinnen und Lobbyisten bringen wichtige Erfahrungen aus ihrer Praxis in den Prozess der politischen Meinungsbildung ein; so ist es. Gleichwohl hat aber der Einfluss von organisierten Vertreterinnen und Vertretern auf Entstehungs- oder Entscheidungsprozesse von Gesetzen in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Daher muss Lobbytätigkeit im Bereich der politischen Entscheidung für die Öffentlichkeit transparent sein. Das sollte uns allen doch eine Selbstverständlichkeit sein, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir als deutsches Parlament sind in diesem Selbstverständnis eben nicht ganz weit vorn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion. Ich frage mich nach der Rede von Herrn Kaster wirklich: Was bauen Sie hier in der Abwehr gegen ein solches Transparenz- und Lobbyistenregister eigentlich für einen Popanz auf?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wissen Sie eigentlich nicht, dass nicht nur wir im Parlament dafür streiten, sondern dass längst viele Verbände, viele Unternehmen und Institutionen, deren Vertreter nicht nur hier im Bundestag, sondern auch im Europaparlament und in der Kommission ein und aus gehen, sich dort den Regeln eines Transparenz- und Lobbyistenregisters selbstverständlich unterziehen? Sie empfinden das nämlich als hilfreich; denn dann steht man nicht mehr in einer Ecke nach dem Motto: Gibt es da einen Einfluss, den keiner kennt und den keiner beurteilen kann? Wann kommen Sie endlich zu dieser Einsicht? Reden Sie doch einmal mit den Unternehmen und den Verbänden, die nicht nur im deutschen Parlament und bei der Regierung ein und aus gehen, sondern auch auf europäischer Ebene. Deren Vertreter unterziehen sich alle einer solchen Registrierung, wie wir Grüne oder auch die Linken das in den entsprechenden Anträgen fordern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Da sollten Sie doch ein bisschen auf der Höhe der Zeit sein und nicht immer auf die Verbändeliste von 1972 verweisen. Seitdem haben wir doch ganz andere Transparenzanforderungen, sowohl an die deutsche Gesetzgebung als auch an das Parlament und an die Bundesregierung. Denken Sie nur an das Informationsfreiheitsgesetz. Warum bauen Sie hier einen solchen Popanz auch im Hinblick auf das freie Mandat auf?

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Der Vorschlag der Linken zum Informationsfreiheitsgesetz war einfach schlecht!)

Niemand stellt das freie Mandat infrage,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Doch!)

auch in meiner Fraktion nicht. Das ist ganz bedeutend. Das wissen wir gerade in diesen Tagen, in denen wir diese massiven Auseinandersetzungen mit Herrn Erdogan haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Daher wissen wir das freie Mandat zu schätzen und wissen es auch zu verteidigen. Also, kommen Sie mir nicht mit solchen Sachen.

Im Jahr 2015 hat Transparency International die Studie „Lobbying in Europe“ veröffentlicht, in der 19 EU-Staaten und 3 EU-Institutionen untersucht wurden. Wissen Sie, auf welchem Platz Deutschland darin gelandet ist? Auf Platz 16. Das heißt, wir haben hier erheblichen Nachholbedarf. Inzwischen haben acht europäische Länder und europäische Institutionen ein solches Lobbyregister. In Kanada und den USA gibt es seit Jahrzehnten verpflichtende Lobby- und Transparenzregister. Was also veranlasst Sie, bei diesem alten Hut zu bleiben und gebetsmühlenartig davon abzulenken, dass mehr Transparenz in unser aller Interesse ist, nicht nur im Interesse des Parlaments, meine Damen und Herren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich will zum Schluss noch ein Beispiel nennen, den legislativen Fußabdruck. Schon einmal etwas davon gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union? Wäre es nicht für uns Parlamentarier, aber auch für die Öffentlichkeit wichtig, ganz deutlich und unmissverständlich dargelegt zu bekommen, und zwar ohne entsprechende Fragen an die Bundesregierung, wie viele Großkanzleien, wie viele Interessenverbände, wie viele Unternehmen möglicherweise auf einen Gesetzentwurf, der dem Parlament vorliegt und hier beraten wird, Einfluss genommen haben? Das wäre doch für uns alle wichtig zu wissen,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird man doch mal wissen dürfen!)

für uns Abgeordnete und für die Öffentlichkeit. Warum sträuben Sie sich dagegen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Durch die von uns vorgeschlagene Registrierung würde auch der legislative Fußabdruck ganz deutlich gemacht werden. Von daher, meine Damen und Herren, führen Sie doch nicht diese Old-fashion-Debatten in Abwehrschlachten, sondern nähern Sie sich einmal sachlichen Argumenten an!

Herr Uhl, ich bin gespannt, ob Sie gleich über die Anhörung reden werden, bei der Sie bei der Beantwortung Ihrer Frage noch nicht einmal mehr da waren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)