Alterspräsident: Jetzt noch die Regeln zu ändern ist falsch

8. Juni 2017

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Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD wollen heute die Geschäftsordnung ändern und festlegen, dass in Zukunft derjenige Abgeordnete oder diejenige Abgeordnete Alterspräsident wird, der oder die dem Bundestag am längsten angehört. Frau Steffen, es tut mir echt leid, aber an dieser Stelle muss ich sagen: Was denken Sie eigentlich, wer so naiv ist, zu glauben, dass uns das einfach so im luftleeren Raum einen Monat vor dem Ende der Legislatur einfällt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder Mensch, der sich mit Politik beschäftigt - Petra Sitte hat das gerade angesprochen -, weiß, dass Sie zum Ende der Legislatur auf diese Idee gekommen sind, und zwar mit Blick auf die Bundestagswahl und mögliche Konstellationen, die sich daraus ergeben. Das ist das Falsche an Ihrem Vorschlag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich kann man im Deutschen Bundestag darüber reden, ob der oder die Älteste, der oder die am längsten dem Parlament Angehörige diese Sitzung eröffnen sollte. Ich finde es auch verrückt, diese Funktion so zu überhöhen. Bitte, es geht um die Eröffnung der konstituierenden Sitzung; da hält der oder die Älteste hier eine Rede. Dann wählen wir den Bundestagspräsidenten, und dann stimmen wir über die Geschäftsordnung ab, nicht mehr und nicht weniger. Von daher bitte ich darum, dass wir diese Situation und diese Rede nicht überhöhen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich kann man das so entscheiden. Weil Ihnen das mit den Frauen so wichtig war: Wir könnten auch entscheiden, dass demnächst die älteste oder die dem Parlament am längsten angehörende Frau die Sitzung eröffnet, weil das über Generationen hinweg Männer gemacht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb hat unsere Fraktion gesagt: Natürlich kann man das machen, wie das auch Petra Sitte gesagt hat, aber der Zeitpunkt ist eindeutig falsch.

Wir alle wissen doch, Bernhard Kaster, dass wir die Geschäftsordnung hier nicht präzisieren. Das ist jetzt also auch ein bisschen unterkomplex. Wir ändern die Geschäftsordnung, wir präzisieren sie nicht. Man darf nach außen doch nicht so einen Eindruck erwecken. Man muss dann sagen, was man will, und dazu auch stehen. Darum bitte ich einfach.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb können wir dieser Änderung der Geschäftsordnung heute auch nicht zustimmen. Sie reden nicht mit offenem Visier darüber, was Sie damit eigentlich bezwecken.

Es ist ja auch noch zweifelhaft, ob Ihnen das, was Sie möchten, überhaupt gelingen wird; denn wenn der nächste Bundestag zusammentritt, ist überhaupt gar keine Geschäftsordnung in Kraft. Wir werden dann möglicherweise darüber streiten müssen, was jetzt Gewohnheitsrecht ist und was nicht. Ich finde, wir sollten uns diese Situation ersparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe sehr viel Zutrauen in dieses Parlament und empfinde dieses Parlament als so selbstbewusst und souverän, dass ich glaube, dass wir mit jeder Situation fertig werden, und zwar in der großen Breite, also aufseiten der CDU/CSU, der SPD, der Linken und der Grünen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir gemeinsam so souverän und selbstbewusst sind, dass wir mit jeder Situation im neuen Parlament umgehen können. Das sollten wir doch auch ausstrahlen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir sollten zum Ende der Legislatur jetzt nicht noch so eine „verschwiemelte“ Regelung treffen.

(Christian Petry (SPD): Das ist aber eine schräge Meinung! - Gegenruf der Abg. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, eine ganz richtige!)

Ich will gar keinen Zweifel aufkommen lassen: Natürlich empfände ich es auch als Zumutung, wenn ein Rechtspopulist hier eine Sitzung eröffnen würde. Ich glaube aber, wir sind souverän und selbstbewusst genug, in der Situation dann zu entscheiden, wie wir als Parlament damit umgehen:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ich will auch nicht, dass wir in irgendeiner Art und Weise für Legendenbildung oder Märtyrerrollen verantwortlich sind.

Lassen Sie uns selbstbewusst, offen und ganz souverän für unsere wirklich lebendige Demokratie und unser gutes und starkes Parlament eintreten. Das würde ich mir wünschen. Deshalb können wir Ihrem Vorschlag heute nicht folgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)