9. April 2018
Nach dem „Go“ der SPD-Basis ist die Koalition aus Union und SPD gestartet. Die Neuauflage wirkt ziemlich mutlos und zeigt wenig Lust auf Gestaltung unserer Zukunft insbesondere mit Blick auf die dringende Bekämpfung der Klimakrise. Die Kommunalen Spitzenverbände haben sich für die Neuauflage der Koalition ausgesprochen. Und in der Tat, der Koalitionsvertrag verspricht erst einmal einiges für die Städte und Gemeinden. Mal sehen, was daraus wird.
Die Koalition scheint endlich die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und betont die auseinanderdriftenden Lebensbedingungen in Stadt und Land, aber auch in Ost und West. Das ist gut und längst überfällig. Doch bei genauerem Hinsehen, agieren die Koalitionspartner mit ungedeckten Checks. Auch instrumentell zeigt man sich phantasielos. Expertenkommissionen sollen klären, mit welchen Mitteln in unserem Land wieder gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt werden sollen. Das heißt: abwarten bis der Kommissionsbericht vorliegt.
Immerhin soll administrativ aufgerüstet werden. Das Innenministerium soll erweitert um einen neuen Politikbereich „Bauen, Wohnen und Heimat“ mit den Unterabteilungen Raumordnung, Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Gleichwertige Lebensverhältnisse. Auch wenn niemand genau weiß, was im neuen Ressortzuschnitt gemacht werden soll, hat man sich schonmal 98 neue Stellen genehmigt. Die Zeit drängt. Bis 2020 muss die Förderpolitik neu aufgestellt sein. Die Neustrukturierung der Ressortzuschnitte ist nicht unproblematisch, da diese auch zu weiteren Verzögerungen führen wird.
Kommunale Aspekte werden in vielen Teilen des Koalitionsvertrags angesprochen. Was daraus wird, wird sich zeigen. In dieser Bewertung wird es im Schwerpunkt um finanzrelevante Aspekte und zentrale Punkte der kommunalen Daseinsvorsorge wie Wohnen, Bildung, Digitalisierung, Integration sowie Wasser und Abfall gehen.
Kapitel IX. zielt auf lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen, der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und dem drängenden Problem von steigenden Mieten vor allem in Ballungsräumen.
Mit einer Wohnraumoffensive wollen Union und SPD 1,5 Millionen Wohnungen und Eigenheime in vier Jahren errichten. Dazu soll in 2018 ein „Wohngipfel“ ins Leben gerufen werden. Der Schwerpunkt der umrissenen wohnungspolitischen Maßnahmen liegt klar auf dem Aspekt Bauen. Leider wird deutlich mehr Geld in den Eigenheimbau gepumpt als in den sozialen Wohnungsbau. Dabei sind hier die Probleme am Größten. In den letzten Jahren sind deutlich mehr Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen als nachgebaut wurden. Die deutlichen Aufstockungen der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau in den letzten drei Jahren von 0,5 Mrd. Euro auf 1,5 Mrd. Euro waren ein richtiges Signal. Sie haben jedoch gerade einmal zu einer Stabilisierung des geschrumpften Bestandes geführt und reichen bei Weitem nicht aus.
Ende 2019 läuft die Förderung des Bundes aus. Nun will die Koalition die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau zwar fortführen, aber nur auf einem reduzierten Niveau von jeweils 1 Mrd. Euro in den Jahren 2020 und 2021. Diese Kürzung spiegelt in keiner Weise den Problemdruck vor Ort in den Städten wider. Nötig wären mindestens 2 Mrd. Euro im Jahr. Außerdem muss für die Fortführung der Mittel das Grundgesetz geändert werden. Ob es eine 2/3-Mehrheit für eine zweijährige Verlängerung der Bundesförderung gibt, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig ungewiss.
Um eine Verfassungsänderung zu umgehen, hatten wir vorgeschlagen, eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit einzuführen. Mit Investitionskostenzuschüssen wollen wir dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sichern. Denn wir brauchen neue Strukturen, um den Verlust von günstigen geförderten Wohnungen nicht immer hinterher zu finanzieren, sondern um endlich wieder einen festen Bestand aufbauen zu können.
Die Koalition setzt außerdem auf eine befristete Sonder-AfA für den Mietwohnungsbau. Die steuerlichen Anreize fanden schon in der letzten Wahlperiode keine Mehrheit, weil es keine Mietobergrenze gab, also wie bisher nur zu teurer Wohnraum gebaut werden würde. Eine solche AfA löst die Probleme für guten und bezahlbaren Wohnraum nicht und setzt Fehlanreize mit Blick auf Immobilienspekulation. Darüber hinaus braucht man eine Bundesratsmehrheit zur Realisierung, was in der letzten Legislaturperiode nicht zustande kam.
Ein weiteres Mittel zur Schaffung von Wohnraum soll ein neues Baukindergeld sein. Das ist ein Projekt der Union nach dem Prinzip der früheren Eigenheimzulage. Dieses für die Steuerzahler sehr teure Anreizinstrument hat schon zu früheren Zeiten bereits zu Mitnahmeeffekten und Baukostensteigerungen geführt. Das Baukindergeld wirkt außerdem sehr breit und in den Ballungsräumen nur bedingt. Es ist also keinesfalls das Mittel der Wahl. Es ist sehr teuer und nicht zielgenau. Pro Jahr will die Regierungskoalition 1 Mrd. Euro für die steuerlichen Anreiz-Instrumente einstellen. Das Geld wird allerdings nur für die Anschubfinanzierung reichen. Allein das Baukindergeld kann nach einigen Jahren schon auf 5 Mrd. Euro im Jahr aufwachsen. Ob die Länder und Kommunen, die die Steuerausfälle mehr als zur Hälfte mitzutragen hätten, auch diese Projekte im Bundesrat unterstützen, ist höchst fraglich.
Auch beim Thema Mieten schafft es die Koalition nicht, endlich wieder Augenhöhe zwischen Vermietern und Mietern herzustellen. Die mietrechtlichen Vorschläge gehen nicht weit genug. Die unnötigen Ausnahmen, welche die Mietpreisbremse ausgehöhlt haben, sollen leider weiter bestehen bleiben. Aktuell liegt die Mietpreisbremse beim Bundesverfassungsgericht. Eine Entscheidung dazu steht aus.
Nicht einzusehen ist, warum die Senkung der Modernisierungsumlage von 11 auf 8 Prozent nur in Wohnraummangelgebieten zulässig sein soll. Da jetzt wohl auch die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungen (seit Jahren geplant!) – umgesetzt werden soll, ist nicht einsichtig, warum Vermieter gleich mehrfach von energetischen Maßnahmen profitieren sollen.
Bei den Energiestandards geht es leider keinen Schritt voran. Die EnEV soll nicht weiterentwickelt werden. Das wäre aber nötig, um die Klimaziele auch wirklich ansatzweise erreichen zu können.
Ein guter Ansatz ist die Stärkung qualifizierter Mietspiegel. Allerdings ist die Verlängerung des Bindungszeitraumes von 2 auf 3 Jahre nicht lang genug, um die stetig steigende Mietpreisspirale aufzulösen. Denn auf Basis der Mietspiegel werden bei dem aktuellen Nachfragedruck die Bestandsmieten erhöht.
Auf faire Mieten müssen die MieterInnen also noch länger warten. Unser grünes Sofortprogramm für faire Mieten finden sie hier.
Zu begrüßen ist, dass die Städtebauförderung und das CO2 Gebäudesanierungsprogramm weitergeführt werden sollen.
Das Nadelöhr Bauland-Mobilisierung soll – nach einer verfassungsrechtlichen Prüfung - mit der Einführung einer Grundsteuer C behoben werden. Sie soll die Verfügbarmachung von Grundstücken für Wohnzwecke verbessern. Die übrige Bodenpolitik soll in einer Enquete-Kommission beraten werden. Das heißt, sie soll erst einmal vertagt werden. Das ist schlecht, denn ohne Bauflächen in den Ballungsräumen werden die avisierten steuerlichen Anreize zu Fehlallokationen auf dem flachen Lande führen bzw. den überhitzten Bausektor in den Ballungszentren nur noch mehr Anreizen.
Besorgniserregend ist, dass den Koalitionspartnern nichts weiter zur Reform der Grundsteuer einfällt. Schon am 10. April wird das Bundesverfassungsgericht über die Grundsteuer entscheiden. Die Verfassungsmäßigkeit steht aufgrund der hoffnungslos veralteten Wertermittlung in Frage. Das wissen alle handelnden Akteure. Mit rund 14 Mrd. Euro ist die Grundsteuer eine zentrale Einnahmequelle der Kommunen. Hierzu findet sich kein Wort im Koalitionsvertrag. Es zeugt nicht von Verantwortung, hier den Kopf in den Sand zu stecken und dieses drängende Problem, das Hauseigentümer wie Mieter in gleicher Weise betrifft, keines Wortes zu würdigen. Bleibt jetzt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht in der nächsten Woche entscheidet.
„Heimat mit Zukunft“ heißt das für kommunale Finanzen zentrale Kapitel. „Heimat“ soll wie gesagt auch der neue Appendix zum Innenministerium heißen und mit 98 neuen Stellen besetzt werden. Die bisher dem Umwelt- und Verkehrsministerium zugeordneten Abteilungen für Wohnen, Bauen, Raumordnung sollen ebenfalls dem neuen Ministerium des Inneren, für Bau und Heimat zugeordnet werden. Mehr Vernetzung in diesen Förderbereichen ist dringend erforderlich. Aber ob diese Absicht mit dem Neuzuschnitt des Bundesinnenministeriums verbunden ist, ist zu bezweifeln.
Es bleibt zu hoffen, dass mit der „Bauen, Wohnen, Heimat“-Strategie der CSU nicht Hoffnungen geweckt werden, die nicht eingelöst werden. Denn wenn man sich die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages anschaut, bleibt hinsichtlich der Förderinstrumente alles beim Alten. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf: 2020 zieht die Schuldenbremse der Länder, noch weiß man nicht, wie es mit der EU-Förderung weitergeht und der Solipakt Ost wird zu diesem Zeitpunkt ebenfalls auslaufen.
Die Förderinstrumente des Bundes müssen über die bestehenden Instrumente Gemeinschaftsaufgabe für Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) hinaus neu ausgerichtet werden, sonst weiß niemand, wie das Versprechen der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ab 2020 weitergehen soll. Da unser Grundgesetz nur diese wirtschaftsbezogenen Förderungen erlaubt, haben wir vorgeschlagen eine dritte Gemeinschaftsaufgabe, eine Gemeinschaftsaufgabe für Regionale Daseinsvorsorge ins Grundgesetz einzufügen.
Die schwarz-rote Koalition setzt auf ein Weiter-So des Bestehenden. Die GRW (Kap. VI Wirtschaft) wird nicht zielgerichtet auf finanzschwache/strukturschwache Regionen in Bundesländern ausgerichtet. Man will sich offenbar nicht vom Gießkannenprinzip abwenden und die Mittel weiterhin auch in finanzstarke Bundesländer fließen lassen. Die GAK (Kap. VI Landwirtschaft) soll bei „finanzieller Stärkung um ländliche Entwicklung“ ergänzt werden. Dazu soll der Förderrahmen erweitert werden. Genau das hatte sich die Koalition schon in der letzten Legislatur vorgenommen. Damit war sie allerdings gescheitert. Es stellt sich natürlich die Frage, wie es jetzt gelingen soll.
Wir meinen, dass man allgemeine Infrastrukturen gezielt in strukturschwachen Gebieten, in ländlichen aber auch in strukturschwachen städtischen Räumen fördern muss. Dies ist seitens des Bundes mit der gegebenen Verfassungslage jedoch so nicht möglich. Um diesen Regionen gezielt Unterstützung zu bieten, ihre Infrastruktur zu modernisieren und an den demographischen Wandel anzupassen, braucht es einen Dreiklang aus Altschuldenhilfen, Entlastung bei den Sozialausgaben (insbesondere den KdU) und eine neue Gemeinschaftsaufgabe für die regionale Daseinsvorsorge.
Leider sind Formulierungen zu Entlastungen der Kommunen bei den KdU für SGB II-Beziehende aus dem endgültigen Koalitionsvertrag gestrichen worden. Die Formulierung eines neuen „gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen“ ist mit einer Lösung für kommunale Altschulden in eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ von Bund, Ländern und Kommunen verschoben worden, die bis Mitte 2019 Ergebnisse vorlegen soll (S. 116). Ob überhaupt und wenn ja, welche Lösung dann vorgeschlagen wird, weiß heute niemand.
Immerhin ist es offenbar den Verhandlungsteilnehmern aus den Ländern nicht gelungen, eine Fortschreibung der Gewerbesteuerumlage der westdeutschen Kommunen an ihre Länder („Solidarpaktumlage") im Vertrag zu verankern. In den Koalitionsverhandlungen gab es wohl Vorstöße, die bis 2019 befristete Umlage fortzuführen. Das hätte eine dynamisch wachsende Belastung der westdeutschen Kommunen von 3,5 Milliarden Euro ab dem Jahr 2020 bedeutet.
Die notwendige und wichtige Integration vor Ort wird absehbar unterfinanziert bleiben. Der große Wurf einer dauerhaften und verlässlichen Unterstützung der Städte und Gemeinden bleibt aus. Stattdessen sieht der Koalitionsvertrag im sogenannten „Heimatkapitel“ eine Fortführung der laufenden Programme vor, während im Finanztableau dafür jedoch nur acht Mrd. Euro bis 2021 vermerkt sind. Hier klafft eine klare Lücke, die sogar die Unionsfraktion im Bundestag skeptisch sieht: „Inwieweit die veranschlagten acht Milliarden Euro ausreichen werden, bleibt abzuwarten.“ Allein die Verlängerung der bis 2018 begrenzten Integrationspauschale würde für diese Legislaturperiode sechs Mrd. Euro kosten. Darüber sollen die Koalitionspartner von Union und SPD allerdings nicht öffentlich lamentieren, sondern die notwendigen Finanzmittel für die Kommunen im Bundeshaushalt bereitstellen. Gleichzeitig laufen eine ganze Reihe von Bundesprogrammen zur Unterstützung der Kommunen in dieser Legislaturperiode aus, darunter auch die spitzabgerechnete Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge. Der tatsächliche Finanzbedarf bei der Weiterführung der laufenden Programme wird von Seiten der Spitzenverbände auf 14,5 Mrd. Euro für diese Legislaturperiode beziffert. Anscheinend will die Koalition hier auf erneute Bund-Länder Verhandlungen und Ministerpräsidentenkonferenzen setzen. Abwarten und hier und da Finanzpflaster verteilen reicht jedoch nicht aus. Es braucht Verlässlichkeit und ausreichende Finanzmittel in der Unterstützung unserer Kommunen bei der so wichtigen Aufgabe Integration.
Gut ist erst einmal die Vereinbarung, dass alle bisher kommunal entlastend wirksamen Finanzprogramme fortgeführt werden sollen. Die dazu im Finanztableau zur Verfügung gestellten 8 Mrd. Euro für die Jahre 2018 – 2021 werden dafür aber bei weitem nicht ausreichen. Ebenso ist es gut, ein Bekenntnis zur Wahrung der Konnexität („Wer bestellt, bezahlt“) abzugeben. Ob es dann auch so kommt, bleibt zu hoffen. Wir werden eine künftige Bundesregierung und Koalition aus Union und SPD hieran messen. Die sehr niedrig angesetzten Finanzierungszusagen im Finanztableau weisen jedoch bereits in eine andere Richtung. Gleiches gilt für den vereinbarten Rechtsanspruch für eine Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern für 2025 und die Entlastung von Kindern pflegebedürftiger Eltern. Die Finanzierung dieser sozial- und bildungspolitisch so wichtigen und sinnvollen Maßnahmen muss sichergestellt sein.
Beim Kita-Ausbau ebenso: hier sind die eingeplanten Mittel dem Bedarf nicht angemessen. In Deutschland fehlen weiterhin 300.000 Kita-Plätze und es fehlt an verbindlichen Standards in der Betreuung. Die Koalition will bis zum Ende der Legislatur 3,5 Mrd. Euro für den Kita-Ausbau und die Qualität in der Betreuung investieren. Wie jedoch aus diesem Paket auch die Entlastung der Eltern bei den Kitagebühren bis hin zur kompletten Beitragfreiheit finanziert werden soll bleibt ein völliges Rätsel. Das ist der falsche Weg. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass Investitionen in Kita-Qualität der erste Schritt sein müssen und der Ausbau des Ganztages wichtig sind. Davon könnten mehr Eltern und Kinder profitieren. Doch allein für die Verbesserung der Qualität und der Fachkraft-Kind-Relation bräuchte es eine Milliarde Euro jährlich.
In der Bildung gibt es viel Licht und Schatten. Wir begrüßen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Er ist richtig und wichtig. Jedoch reichen die veranschlagten zwei Mrd. Euro bis 2021 nicht annähernd aus, um dieses Vorhaben auf den Weg zu bringen, vom fehlenden Fachpersonal ganz abgesehen. Außerdem wird so geplant, dass eine erhebliche Vorfestlegung auf das Geltungsdatum 2025 getroffen wird. Wie komplex und langwierig der Aufbau flächendeckender Betreuungsstrukturen ist, hat sich bereits im Bereich der U3-Betreuung gezeigt. Deshalb ist es das Mindeste, dass die Umsetzung gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen (Spitzenverbänden) verlässlich beraten und beschlossen werden soll.
Schwierigkeiten wird es auch geben, da die Erfüllung des Rechtsanspruchs im SGB VIII im System der Kinder- und Jugendhilfe geregelt werden sollen. Es entsteht für die Städte und Gemeinden eine hohe finanzielle Belastung, die vom Bund bislang nicht aufgefangen wird. Mit dem Bekenntnis zur Konnexität von Union und SPD ist es spätestens hier vorbei. Kommt der Betreuungsanspruch, dann setzt der Bund Vorgaben die die Kommunen nicht mit den bereitgestellten Mitteln garantieren werden können. Hier besteht Klärungsbedarf.
Für die Schuldigitalisierung liefert die Koalition nach, was sie bereits vor zwei Jahren versprochen hatte: 3,5 Mrd. Euro sollen in dieser Legislaturperiode in Hardware, Software und Qualifizierung des Lehrpersonals investiert werden.
Die finanzielle Unterstützung der Länder bei der Bildung erfordert eine Aufhebung des Kooperationsverbots. Egal was die Koalition beteuert - geplant ist - das Kooperationsverbot zu lockern. Der Bezug auf die Finanzschwäche der geförderten Kommunen aus Art. 104c GG soll entfallen. Wir machen uns weiterhin für eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbotes stark.
Die Koalitionäre bekennen sich zur kommunalen Daseinsvorsorge. Allerdings auch zugleich für Chancengleichheit gegenüber privaten Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt und bei Freihandelsabkommen. Da stellt sich die Frage, welchen Veränderungsbedarf Union und SPD sehen, um Chancengleichheit herzustellen. Kommunale Unternehmen sind keine Marktteilnehmer. Für sie gilt das Örtlichkeitsprinzip. Kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale wirtschaftliche Betätigung sind grundsätzlich anders organisiert als private unternehmerische Tätigkeit. Ein klares Bekenntnis zu Gunsten der kommunalen Daseinsvorsorge sieht daher anders aus.
Nicht in Einklang mit der kommunalen Daseinsvorsorge ist die Vereinbarung von Union und SPD für das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) die Voraussetzungen zu schaffen, dass das „CETA-Abkommen umfassend in Kraft treten kann“. Denn dieses Abkommen enthält bezüglich der kommunalen Daseinsvorsorge eben nicht – wie dort ausgeführt -„zukunftsweisende Regelungen“ für die „…öffentliche Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsschutz“ (S. 66). Wir sind im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens für die Wasserwirtschaft zu der Erkenntnis gelangt, dass durch CETA den Kommunen Investorenklagen vor Investor-Schiedsgerichten drohen können.
Aus Sicht der Daseinsvorsorge wären auch Regulierungen im Bereich Abfall und Abwasser wünschenswert.
Leider findet sich im Umweltkapitel auch nichts Substantielles zu einer Weiterentwicklung des Verpackungsgesetzes zu einem Wertstoffgesetz. Wir haben vorgeschlagen, dass die Kommunen nicht nur für die Sammlung des Restmülles, sondern auch für die Sammlung von Wertstoffen (Verpackungen und stoffgleiche Abfälle) zuständig sein sollen. Auch hier bleibt es beim Weiter-So.
Gleiches gilt für die Wasserwirtschaft. Im Bereich Abwasser (S. 138) setzt man nach wie vor auf einen End of Pipe Ansatz, dessen Kosten am Ende die VerbraucherInnen zahlen müssen. Das Umweltbundesamt geht in einigen Regionen von deutlich steigenden Wasserpreisen durch hohe Nitratwerte aus. Hinzu kommen Kostensteigerungen, die mit dem demografischen Wandel in entlegenen Regionen einhergehen. Union und SPD hatten in einer Arbeitsfassung des Koalitionsvertrags die Formulierung "Wir wollen eine Finanzierungsgrundlage schaffen, die auch die Hersteller und Verursacher in die Pflicht nimmt" (siehe Artikel auf SPOn) aufgenommen. Diese Formulierung ist im Koalitionsvertrag gestrichen worden. Die Verursacher von Schadstoffeinträgen aus Landwirtschaft, Chemie und Industrie werden weiterhin verschont. Das darf nicht sein. Wir wollen Schadenstoffeinträge deutlich reduzieren und die Verursacher zur Verantwortung ziehen. Mehr dazu in unserem 6 Punkte Plan für sauberes und bezahlbares Wasser.
Positives im Bezug auf Teilaspekte Kommunen ist aus dem Bereich Verkehr zu vermelden. So setzte die SPD anscheinend neue Förderprogramme im Schienenverkehr und im ÖPNV durch. Die Bundesmittel für den Gemeindeverkehr sollen aufgestockt und weiter dynamisiert werden. Unklar ist allerdings, ob die Mittel, wie im Verkehrskapitel formuliert - auf eine Milliarde im Jahr aufgestockt werden, was der grünen Forderung entspräche. Oder ob es um eine Milliarde im gesamten Zeitraum - also 4 Jahren - geht, so kann man das Finanztableau auch interpretieren. Im ländlichen Raum will die Koalition gar den Betrieb von Schienenverkehrsstrecken zusätzlich fördern – Details dazu bleiben aber auch hier völlig unklar.
In den Bereichen ÖPNV (z. B. „eTicket“ als Pendant zum grünen „Mobilpass“), Digitalisierung, Schienenverkehr oder Elektromobilität (dort v.a. zum Ausbau der Ladeinfrastruktur) gibt es Absichtserklärungen. Zudem beabsichtigen sie, die Straßenverkehrsordnung fahrradfreundlicher zu gestalten, was auch immer das bedeutet.
Keine Entwarnung gibt es für die von Fahrverboten betroffenen Städte. Die Umsetzung und Finanzierung einer technischen Nachrüstung von Dieselfahrzeugen wird abgelehnt bzw. bleibt nebulös und zur Einführung einer blauen Plakette mit entsprechenden Emissionsvorgaben findet sich nichts im Vertrag. Öffentlich ist allerdings inzwischen klar, dass sich die Union gegen die Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen hat und die Koalition Nachrüstungen auf Kosten der Verursacher ablehnt. Fahrverbote – verursacht durch das Nichts-Tun der Bundesregierung – hängen also weiter, wie ein Damoklesschwert, über unseren Innenstädten.
Ob es mehr fairen Wettbewerb für kommunale Nahverkehrsbetriebe geben wird, bleibt zu hoffen. Hier hatten einige Städte unter Privatisierungsdruck wegen des Vorrangs sog. eigenwirtschaftlicher Verkehre gestanden. Zwar will man am Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit für private Verkehrsunternehmen festhalten. Den Kommunen sollen aber durch Änderungen im Personenbeförderungsgesetz mehr Gestaltungsmöglichkeiten zum Schutz der Beschäftigten und zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards gegeben werden. Dies hatten wir Grüne ebenfalls gefordert. Wir wollten allerdings auch Direktvergaben ermöglichen.
An Absichtserklärungen zum Breitbandausbau mangelt es nicht: endlich wird auf den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur statt die Ertüchtigung alter Kupferkabel gesetzt. Mit 10-12 Milliarden Euro plus den Erlösen aus zukünftigen Frequenzversteigerungen sind Mittel eingeplant. Ländliche Regionen sollen im Fokus des Ausbaus liegen. Abzuwarten bleibt jedoch wie ein „Rechtsanspruch auf schnelles Internet“ erfüllt werden soll, bzw. woraus dieser genau bestehen wird. Aber auch hier gilt: es werden Vorfestlegungen und Absichtserklärungen für die übernächste Legislaturperiode getroffen, wenn von Breitband als Teil der Daseinsvorsorge im Jahr 2025 die Rede ist. Das kostet erstmal nichts.