Union und SPD trauen sich nicht, zu Tihange und Doel Position zu beziehen.

2. Mai 2017

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es eingangs, als ich zum Rednerpult gegangen bin, eine peinliche Bemerkung gab, weiß ich, dass das Ganze der SPD besonders unangenehm ist. Unser Geschäftsordnungsantrag zielt darauf, über unseren Antrag „Grenzregionen vor Atomrisiken schützen – Export von Brennelementen stoppen“ heute hier eine Abstimmung durchzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Denn diese Koalition ist – das hören wir seit vielen Wochen durch Anträge der Linken und der Grünen, die dem heutigen vorausgegangen sind – in der Sache längst festgelegt.

(René Röspel [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Auffassung des Bundesministeriums und der Bundesregierung ist, dass man Brennelementelieferungen nach Tihange und Doel ruhig durchführen könne. Das ist auch die Praxis. Es werden Genehmigungen erteilt, und zwar von SPD-Union-geführter Bundesregierung. Diese Auffassung wird gestützt durch die Fraktionen der SPD und der CDU/CSU.

Wissen Sie, was heute nicht passieren soll? Es soll auf gar keinen Fall im Parlament eine Entscheidung getroffen werden. Es soll auf keinen Fall sein, dass man sich als Abgeordnete dazu verhalten muss, dass wir als Grüne einen Exportstopp für diese Brennelementelieferungen fordern.

(René Röspel [SPD]: Das ist eine Farce!)

Denn man möchten sich gerne weiterhin im Wahlkampf vor Ort hinstellen und flammend sagen: Ich bin gegen Brennelementelieferungen nach Tihange. –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Man hofft darauf, dass die Menschen vor Ort das glauben und Ihnen deshalb Unterstützung signalisieren. Ich sage Ihnen: Damit muss endlich Schluss sein! Das ist unparlamentarisch, was Sie hier seit Wochen abziehen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Diskutieren ist nicht unparlamentarisch!)

Meine Damen und Herren, da geht es nicht nur um den Antrag heute. Wir erleben in der Sache jeden Tag im Parlament eine Vertagung von Antragsinitiativen, bei denen gar kein Beratungsbedarf mehr besteht, weil man sich dazu öffentlich nicht positionieren will. Man möchte lieber dieses Spiel spielen: Im Wahlkreis vor Ort sage ich: „Ich bin dagegen, und zwar aus Überzeugung“, aber im Bundestag wird das Thema in die zehnwöchige Beratungsschleife geschickt, damit das Parlament dazu keine Auffassung vertreten kann.

(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Es gibt kein Parlament, das mehr Oppositionsrechte hat wie unseres!)

Dieses Doppelspiel muss endlich ein Ende haben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Darüber müssen wir öffentlich sprechen. Das muss man entlarven. So geht es nicht weiter, meine Damen und Herren. Deshalb diese GO-Debatte und unser Antrag auf Abstimmung in der Sache heute. Sie stützen doch die Auffassung von Frau Hendricks, weiter Brennelemente zu liefern. Dann müssen Sie doch auch in der Lage sein, heute über diesen überschaubaren Antrag abzustimmen. Lehnen Sie ihn doch einfach ab! Aber das trauen Sie sich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Weder vor der Wahl am 7. Mai in Schleswig-Holstein noch vor der Wahl am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen wollen Sie Farbe bekennen. Ich sage Ihnen: Das müssen Sie jetzt aber mal, und zwar sowohl bei der Frage: Wollen Sie Brennelementelieferungen weiter zulassen, obwohl wir bei Tihange und Doel über Schrottreaktoren reden?, als auch bei den Fragen: Wollen Sie den Familiennachzug endlich wieder in Kraft setzen? Wollen Sie die Ehe für alle? – Oder wollen Sie das nur in Sonntagsreden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Christian Flisek [SPD]: Missbrauch der Geschäftsordnung ist das! – Weitere Zurufe von der SPD)