Rede zu Demokratie und Erinnerungskultur

23. Februar 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal glaube ich, man muss Sie einfach nur reden lassen, dann sieht man, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Mehr gibt es zu dem gerade Gesagten eigentlich nicht zu sagen.

Zu Herrn Jongen will ich ganz kurz sagen: Als einer, der angetreten ist, den Kulturbetrieb in Deutschland zu „entsiffen“ – so drückte er sich neulich aus, Zitat –,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zitat!)

und als einer, der sein Geschichtsbewusstsein und seine Einstellung hier vermittelt hat, haben Sie sich mit dem heutigen Tag doch schon aus der kulturpolitischen Debatte des Deutschen Bundestages verabschiedet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das glauben aber nur Sie! Wir fangen erst an!)

Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keinen Schlussstrich.

Das hat uns Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident mit auf den Weg gegeben, und ich bin froh, dass sich alle fünf Fraktionen der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag auf diesen Grundsatz beziehen und ihn heute bekräftigt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, wir müssen darüber sprechen, was in den letzten Wochen hier im Parlament und auch in anderen Parlamenten unseres Landes passiert ist. Gewählte Abgeordnete aus Landtagen und auch aus dem Bundestag diffamieren Menschen, die in unserem Land leben. Sie beleidigen sie und sprechen ihnen ihre Grundrechte ab.

(Zuruf von der AfD: Das machen Sie!)

Da wird hier im Haus von „entarteten Pässen“ gesprochen. Um eine doppelte Staatsbürgerschaft geht es. Sie versuchen doch, damit zu spalten. Sie beleidigen die rund 2 Millionen Menschen mit mehr als einem Pass. Sie machen das ganz bewusst und ganz gezielt. Meine Damen und Herren, das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist nicht stillschweigend zu dulden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Denn es geht nicht nur um die 2 Millionen betroffenen Menschen in unserem Land, sondern es geht auch um unsere Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, und es geht damit auch um die Würde in diesem Haus.

Wir sind doch hier nicht in irgendeiner Bude, Herr Gauland,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da halten Sie sich einmal dran!)

in der Sie Ihre Hetze und Ihren Geifer,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das machen Sie doch gerade!)

an dem Sie sich berauschen, ablassen können.

(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind hier im Deutschen Bundestag. Ich fühle mich manchmal beschämt, im Parlament solches völkische und diffamierende Gerede zu hören, und deshalb müssen wir heute auch einmal darüber sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Sie halten das ja nicht aus, das Gesprochene! Mit freier Rede haben Sie ein Problem!)

Wir müssen wachsam sein; denn mit Sprache fängt es an. Wir erleben jeden Tag in den Debatten eine Radikalisierung der Sprache und eine Verschiebung des Sagbaren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb müssen wir es einmal aussprechen: Was Abgeordnete der AfD innerhalb und außerhalb des Parlamentes treiben, das sind keine Zufälle, meine Damen und Herren, das hat Methode. Es ist Teil Ihrer Strategie, dieses Sagbare immer weiter zu verschieben. Deshalb müssen wir darüber reden und das entlarven. Die Maske fällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Sie entlarven sich selbst, Frau Haßelmann!)

Es soll auch – das sei nur nebenbei gesagt – darüber hinwegtäuschen, dass Sie in der Sache nichts zu bieten haben, weder beim Thema Rentenversorgung noch bei sozialpolitischen Fragen,

(Jürgen Braun [AfD]: Gerade eine Grüne sagt das, die nie in einer Sachfrage mitreden kann!)

nicht beim Thema Steuerpolitik und schon gar nicht bei Fragen der Ökologie. Als wir heute Morgen über das Thema Handwerk redeten: Luft, nichts als heiße Luft!

(Jürgen Braun [AfD]: Grüner Populismus, Frau Haßelmann! Nichts als links-grüner Populismus!)

Die rassistischen Angriffe sollen auch darüber hinwegtäuschen, dass Sie in der Sache keinen Beitrag zu leisten haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Sie machen grünen Populismus!)

Sie wissen ganz genau, was Sie damit bezwecken. Wenn Sie den Özoğuz’, den Yücels, den Boatengs und den Özdemirs – egal wie sie heißen; ich konnte jetzt nur einige aufzählen – mangelnde Integration vorwerfen,

(Jürgen Braun [AfD]: Links-grüner Populismus!)

wenn Sie ihnen die Staatsbürgerschaft aberkennen wollen, sie abschieben wollen oder sogar als „Kameltreiber“ diffamieren

(Jürgen Braun [AfD]: Links-grüner Populismus! – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt holen Sie doch mal Luft da drüben! – Gegenruf des Abg. Jürgen Braun [AfD]: Links-grüner Populismus, Frau Lemke!)

– und Gauland setzt dann noch einen drauf und meint, Aydan Özuguz sogar „entsorgen“ zu können –, frage ich Sie:

(Jürgen Braun [AfD]: Links-grüner Populismus!)

Wo leben wir hier denn? Da muss es Widerspruch geben! Das ist doch klar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der AfD)

Sie hetzen hier gegen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft innerhalb und außerhalb des Parlaments. Manchmal frage ich mich, ob es Ihren intellektuellen Horizont überschreitet,

(Lachen bei der AfD)

dass Menschen mit einer deutschen Staatsbürgerschaft nicht nur Meier, Müller, Haßelmann oder Schmidt heißen.

(Jürgen Braun [AfD]: Das sagt gerade eine Grüne! Intellektueller Horizont bei den Grünen! Heuchelei!)

Ich habe das Gefühl, das verstehen die gar nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das ist eine eiskalte Strategie.

Ich will Ihnen zum Schluss noch sagen: Wenn man Sie damit konfrontiert, dann legen Sie sich in die Furche und tun so, als wären Sie es nicht gewesen. Als man Sie damit konfrontiert hat, dass MdB Maier Noah Becker rassistisch angegriffen hat oder MdB Müller das Gedenken hier mit Frau Lasker Wallfisch und ihrer Schwester als „heuchlerisch“ und „aufgesetzt“ bezeichnet hat,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nicht ihre Einlassungen! Sie verdrehen das völlig!)

haben Sie sich in die Furche gelegt und so getan, als wären Sie es nicht gewesen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Ihr letzter Satz, bitte.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Was ist das für ein Verhalten? Meine Damen und Herren, darüber müssen wir sprechen. Wir müssen Sie damit konfrontieren. Die Maske ist gefallen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Ihre Maske ist gefallen, Frau Haßelmann! Eine Hassrede! Eine blanke Hassrede!)

Schlagwörter: Bundestag , Rede , Erinnerungskultur