5. Juli 2019
Die Innenpolitikerinnen und -politiker der Bundestagsfraktion und der Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen erklären auf ihrem Bund- Länder-Treffen vom 28. Juni 2019:
Wir sind ganz sicher: Die große Mehrheit der Polizeibeamtinnen und –beamten steht fest und mit beiden Beinen auf dem Boden von Grundgesetz und Rechtsstaat. Jedoch besorgt es uns auch im Lichte der aktuellen Entwicklungen zutiefst, wenn wir auch aus den Reihen der Polizei selber hören, dass vermehrt rechtsextreme Tendenzen in den Dienststellen registriert werden. Hinzu kommen die vielen entsprechenden Medienberichte, zum Beispiel über 38 rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der hessischen Polizei und Drohbriefe an die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yildiz, unterschrieben mit „NSU 2.0“, die mutmaßlich unterZuhilfenahme von Polizeidaten und eventuell sogar direkt von Polizistinnen und Polizisten verfasst und versendet wurden; außerdem das Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat u.a. gegen einen Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern und die massiven Funde von Waffen und Munition bei aktuellen wie ehemaligen SEK-Polizisten ebenfalls in Mecklenburg- Vorpommern. Wo Polizistinnen und Polizisten als Träger des staatlichen Gewaltmonopols die freiheitlich demokratische Grundordnung von innen heraus angreifen, ist der demokratische Rechtsstaat in Gefahr. Wir müssen diese Entwicklungen scharfen Auges beobachten, auch um das Vertrauen in die Polizeibehörden zu sichern und in Teilen wieder herzustellen.
Wie fordern daher die Innenminister in Bund und Ländern auf, spätestens bis zur nächsten Innenministerkonferenz ein Konzept vorzulegen, um Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in unseren Polizeibehörden zu begegnen.
Folgende Aspekte soll dieses Konzept umfassen:
Die einen sprechen von Einzelfällen, die anderen behaupten, es gäbe ein strukturelles Problem. Wir möchten es genau wissen und wollen ein Gesamtbild: Um Klarheit über das reale Ausmaß verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Polizei zu bekommen, ist es notwendig, dass wissenschaftlich untersucht wird, wie verbreitet extremistische Einstellungen bei Beamtinnen und Beamten bundesweit sind. Wir fordern daher die Innenministerkonferenz auf, eine dementsprechende regelmäßig fortlaufende wissenschaftliche Studie einzuführen. Dabei kann auf die von der Polizei-Führungsakademie (heute DHPol) in den 1990er Jahren in Auftrag gegebenen Studien als Vorbild zurückgegriffen werden.
Transparenz geht mit Vertrauen einher. Verstöße, wie z.B. menschenfeindliche Äußerungen in Chatgruppen, das Tragen extremistischer Abzeichen an der Uniform oder Hetze gegen Geflüchtete gegenüber Kolleginnen und Kollegen sollten deshalb kontinuierlich erfasst und dokumentiert werden. Wir fordern die Innenminister auf, absolute Zahlen sowohl von Extremismus-Verdachtsfällen wie auch von Disziplinar- und Strafverfahren im Kontext Extremismus bei den Polizeien von Bund und Ländern statistisch zu erfassen und zu veröffentlichen. Auch das Dunkelfeld muss bundesweit aufgehellt werden.
Wir fordern die Schaffung von unabhängigen Polizeibeauftragten beim Deutschen Bundestag und auch in den Landtagen, wie bereits in einigen Bundesländern geschehen. Die neu zu schaffenden Stellen sollen Menschen innerhalb und außerhalb der Polizei wie auch Bürger- und Menschenrechtsorganisationen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie sollen die Möglichkeit bieten, Missstände, strukturelle Mängel und Fehler im Hinblick auf die Arbeit der Polizei mitzuteilen, ohne Sanktionen oder berufliche Nachteile fürchten zu müssen.
Über Jahre hinweg wurde das Personal bei Bundes- und Landespolizeien in unverantwortlicher Weise reduziert. Der Rückzug des Staates hat sich auch im Bereich der Sicherheitsbehörden negativ bemerkbar gemacht. Wir begrüßen ausdrücklich, dass dieser Negativtrend auch durch den Druck Grüner Innenpolitik nun gestoppt wurde und man erkannt hat, wie wichtig personell gut ausgestattete Polizeibehörden sind. Der Personalaufwuchs der Polizeibehörden muss nun nachhaltig gestaltet und mit entsprechenden Ausbildungskapazitäten unterfüttert werden. Die Arbeitsbedingungen müssen optimiert und Überstundenberge abgebaut werden. Die vielen engagierten Polizistinnen und Polizisten brauchen unsere volle Rückendeckung.