8. April 2016
Gastbeitrag im Tagesspiegel von Britta Haßelmann und Chris Kühn
Wir brauchen mehr günstige, bezahlbare Wohnungen in Deutschland. Viele Mieterinnen und Mieter sind auf staatliche Unterstützung angewiesen, um am Ende des Monats ihre Miete bezahlen zu können. Das Resultat: Die Ausgaben für Wohngeld und die Kosten der Unterkunft für ALG II-Beziehende steigen kontinuierlich. Sie liegen mittlerweile bei fast 15 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld wäre in preiswerte Wohnungen dauerhaft besser investiert.
Doch die Antwort der Bundesregierung ist äußerst halbherzig. Sie plant eine steuerliche Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau und will dafür Milliarden in die Hand nehmen. Die Idee, Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment zu fördern, ist prinzipiell zu begrüßen. Aber sie hat einen entscheidenden Schönheitsfehler: Die Errichtungskosten pro Quadratmeter werden zwar gedeckelt, der Mietpreis jedoch nicht. Der Druck auf den Wohnungsmärkten ist vielerorts groß. Warum also sollte ein Bauherr seine mit Steuergeldern geförderte Wohnung günstig vermieten, wenn er auch höhere Mieteinnahmen realisieren kann?
Mitnahmeeffekte sind bei diesem Förderprogramm somit von vornherein angelegt und Spekulationen am Immobilienmarkt vorprogrammiert. Es zeugt von wenig Sachverstand, wenn die Bundesregierung allen Ernstes auch nur eine günstige Wohnung durch diese Sonderabschreibung erwartet. Vielmehr wird die Steuerförderung ein Geschenk an alle Spekulanten sein, bezahlt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.
Der Weg zum günstigen Wohnen muss und kann nur über einen sozial gebundenen Wohnungsbau gehen. Jedes Jahr verlieren 60.000 Sozialwohnungen ihre Bindung und gelangen auf den freien Wohnungsmarkt, mit enormen Mietpreissprüngen und maximalen Renditen. Von 2,5 Millionen Sozialwohnungen, die es im Jahr 2002 gab, sind mittlerweile nur noch 1,5 Millionen übrig. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle. Der Missstand wird besonders offenkundig durch die Dringlichkeit, für geflüchtete Menschen Unterkünfte zu finden. Es ist nicht klar, wie viele Menschen dauerhaft bleiben werden, aber alle brauchen ein Dach über dem Kopf, jenseits von Massenunterkünften, Turnhallen und Container-Dörfern.
Wir dürfen nicht zulassen, dass es einen Wettbewerb um die wenigen verbliebenden Sozialwohnungen gibt. Der soziale Wohnungsbau braucht frischen Wind. Wir müssen aufhören, Wohnungen mit Milliarden zu fördern, die schon nach 10 bis 15 Jahren wieder frei vermietet werden können. Wir müssen raus aus dem Hamsterrad und rein in die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Sie war fast 150 Jahre lang das bewährte Instrument für bezahlbare Wohnungen in Deutschland. Dies gilt es wiederzubeleben. Mit ihr können wir den sozialen Wohnungsbau endlich wieder nachhaltig gestalten und langfristig bezahlbare Wohnungen schaffen. Mieter und Vermieter werden dauerhaft profitieren können.
Um kurzfristig den Druck aus dem angespannten Wohnungsmarkt im unteren Preissegment zu nehmen, schlagen wir ein Sofortprogramm vor, das langfristig in ein Dauerprogramm überführt werden soll.
Das Sofortprogramm richtet sich vor allem an private Vermieter, um möglichst viele Wohnungen in eine soziale Bindung zu nehmen. Vermieterinnen und Vermieter sollen sich bei einer Neuvermietung dafür entscheiden können, die Wohnung künftig gemeinnützig zu vermieten. Sie steht dann Familien, Studierenden, älteren Menschen mit kleiner Rente, Menschen mit Behinderungen oder Geringverdienern zur Verfügung. Dafür bekommen die Vermieter eine steuerliche Förderung.
Langfristig wollen wir Akteure fördern, die Wohnungen günstig bauen und anbieten. Wir brauchen einen Wohnungsmarkt mit vielfältigen Akteuren: aktiven Baugenossenschaften und Bauvereinen, kommunalen Wohnungsgesellschaften, Wohnprojekten und privaten Vermietern.
Diese sollen eine steuerliche Extra-Förderung zusätzlich zur klassischen sozialen Wohnraumförderung und den bestehenden Länder- und KfW-Programmen bekommen. Dafür sollen sich die gemeinnützigen Unternehmen an soziale Regeln bezüglich Rendite, Miete und Mieterstruktur halten. Die Förderung würde die Kosten für Wohnungsunternehmen senken, die gemeinnützig handeln, günstigere Mieten schaffen und langfristig eine angemessene Rendite ermöglichen.
Es geht um viel: die Lebensqualität in unseren Städten, lebendige Nachbarschaften und bezahlbaren Wohnraum für alle. Es geht um eine neue Form des sozialen Wirtschaftens. Dazu brauchen wir frische Ideen wie die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit.
Unsere Bundestagesinitiative zur Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit finden sie hier: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/080/1808081.pdf