8. Juni 2016
Im Herbst steht die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) an. Die kommunale Daseinsvorsorge sei sicher, sagt Sigmar Gabriel. Und er ist nicht müde dies bei jeder Gelegenheit zu wiederholen. Doch dadurch wird es nicht richtiger.
Inzwischen liegen zwei Gutachten von Völkerrechtlern vor, die erhebliche Zweifel an einem ausreichenden Schutz der Daseinsvorsorge entstehen lassen.
Ein im Auftrag des Landes Baden-Württemberg erstelltes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass CETA „den Gestaltungsspielraum der Länder und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland nicht unberührt [lässt]“ und „[d]ie Freiheit der Länder und Gemeinden, den Bürgerinnen und Bürgern umfassende, effiziente und kostengünstige Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen, […] durch die in CETA begründete Niederlassung kanadischer Unternehmen berührt wird“ (Prof. Martin Nettesheim, Die Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden im Auftrag des Landes Baden-Württemberg). Insbesondere wird kritisch analysiert, dass die von der EU benutzten Instrumente zum Schutz des Handlungsspielraums in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen keine eindeutige Definition von öffentlichen Dienstleistungen benutzen, keinen ausreichenden Schutz garantieren und keine ausreichende Rechtsbindung erzeugen (siehe auch das Gutachten von Prof. Markus Krajewski, Model clauses for the exclusion of public services from trade and investment agreements, im Auftrag der European Public Services Union und der Arbeiterkammer Wien). Leider erstrecken sich die verwendeten Schutzklauseln auch nicht auf den in CETA vereinbarten Investitionsschutz, so dass durch das Handelsabkommen, ausländische Investoren die Möglichkeit bekommen, Deutschland wegen Regelungen in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen vor Investor-Staat-Schiedsgerichten verklagen zu können.
Vor dem Hintergrund der rechtsgutachterlichen Kritik an den generellen Ausnahmen kommt für den Schutz der Daseinsvorsorge vor Liberalisierungsverpflichtungen den sektoralen Ausnahmen (sog. Negativliste) in Anhang I und II des CETA Abkommens eine besondere Bedeutung zu. Selbst die in der Negativliste relativ gut abgesicherte Wasserwirtschaft könnte unter Liberalisierungsdruck geraten. Der Verband Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft, AöW, der die Interessen der Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand vertritt, hat in seinem Positionspapier „Wasserwirtschaft im Sog des Freihandels – CETA“ vom April 2016 Zweifel geäußert, ob die gewählten Formulierungen in den sektoralen Ausnahmen im Anhang I und II des CETA-Abkommens zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung noch genügend Handlungsspielraum lassen. So werden zum Beispiel von der Bundesregierung selbst neue Anforderungen an die öffentliche Wasserwirtschaft gestellt, die möglicherweise nicht durch die Ausnahme in CETA abgesichert sind und die öffentliche Wasserwirtschaft in den Bereich von EU-Markzugangsverpflichtungen bringen könnten.
Wir haben bei CETA immer wieder darauf hingewiesen, dass es unmöglich ist, die gesamte Daseinsvorsorge in einer Negativliste, die Ausnahmen von Liberalisierungsverpflichtungen definiert, abzubilden. Dies wird durch die neueren Gutachten und die Verbandsstellungnahme eindrücklich belegt. Siehe dazu auch unsere Kleine Anfrage „Die Auswirkungen von CETA auf die kommunale Daseinsvorsorge, insbesondere die Wasserwirtschaft“. Die Bundesregierung darf CETA in dieser Form nicht zustimmen.