4. Juli 2017
Unsere Regionen entwickeln sich immer weiter auseinander. Auf der einen Seite boomen Metropolregionen und ziehen Unternehmen, Fachkräfte und junge Leute an. Auf der anderen Seite drohen Orte und ganze Landstriche zu veröden und Infrastruktur zu verfallen. Das Gefühl hier von Infrastruktur abgekoppelt oder von der Gesellschaft verlassen zu sein, hat Auswirkungen auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Teilhabe in strukturschwachen Regionen und Städten. Viele dieser Regionen treten trotz Fördermillionen auf der Stelle. Und auch die Schere zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen geht immer weiter auseinander.
Unsere Vorschläge für mehr Entlastung des Bundes bei den Sozialausgaben, die Einrichtung eines Altschuldenfonds und mehr Investitionsförderung des Bundes bei Schulen und sozialem Wohnungsbau sind wichtig und richtig. Inzwischen fehlt es vielen strukturschwachen Kommunen in Stadt und Land aber am Nötigsten. Sie brauchen eine gezielte Förderung ihrer allgemeinen Infrastruktur. Das Grundgesetz setzt jedoch enge Grenzen für die Unterstützung von Regionen durch den Bund. Danach ist die kommunale Daseinsvorsorge allein eine Länderangelegenheit. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern für die Wirtschafts- und Agrarförderung von Bund und Ländern (GRW und GAK). Die Fördermillionen von GAK und GRW gehen aber zu oft am Bedarf vorbei, weil sie nur wirtschafts- oder agrarbezogen fördern. Dennoch sehen wir den Bund in der Verantwortung für Chancengleichheit und somit in der Gewährleistungspflicht für den Zugang zu Daseinsvorsorge und allgemeinen Infrastrukturen, der allen Menschen Teilhabe ermöglicht.
Mit dem Auslaufen des Solidarpaktes Ost und der Neujustierung des Finanzrahmens der EU muss ab 2020 die Förderpolitik ohnehin neu aufgestellt werden. Durch den Brexit werden auch die EU-Fördermittel weniger üppig fließen. Wir brauchen einen Neustart in der Förderung strukturschwacher Regionen, der ein starkes Signal an die Menschen vor Ort sendet und sie stärker als bislang in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes einbezieht.
In einem Autorenpapier fordern Markus Tressel, Christian Kühn und ich eine neue Gemeinschaftsaufgabe Regionale Daseinsvorsorge (GRD), die durch gemeinsame Planung und Finanzierung des Bundes und der Länder insbesondere allgemeine Infrastrukturen in finanz- und strukturschwachen Regionen fördern soll. Dabei soll es nicht um den Erhalt des Status Quo gehen, sondern auch gezielt der Um- und Rückbau der Infrastrukturen im demografischen Wandel vorangetrieben werden, und zwar auf Basis eigener regionaler Verständigungsprozesse und Strategien.
Für diese neue Gemeinschaftsaufgabe ist eine Grundgesetzänderung notwendig. Im Gegensatz zu der auch in Regierungskreisen diskutierten Erweiterung der GAK löst eine Gemeinschaftsaufgabe Regionale Daseinsvorsorge (GRD) das Problem der räumlichen und inhaltlichen Förderlücken, wenn sie mit den bestehenden europäischen und Bundes-Förderinstrumenten verzahnt ist. Wir treten dafür ein, dass Strukturschwäche weiter gefasst wird als die regionale Wirtschaft und der Arbeitsmarkt und vor allem die demografische Entwicklung in Teilräumen stärker berücksichtigt werden. Um die Menschen vor Ort einzubinden, sollen auch Regionalbudgets auf der Basis von mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelten Regionalen Entwicklungskonzepten, eine Form sein, Finanzmittel an strukturschwache Regionen zu geben.