22. Juni 2017
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Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von den Linken, das Thema, über das wir heute in der Aktuellen Stunde reden, ist ein wahnsinnig wichtiges. Das zeigt der Hinweis auf die Sportausschusssitzung und den Bericht zum Thema „Wie ist das eigentlich mit der Schwimmfähigkeit?“. Um das einmal zu übersetzen: Das bedeutet: Wie viele Menschen in Deutschland können nicht schwimmen und ertrinken womöglich, auch weil sie die Gefahren des Wassers – ob geschlossene oder offene Gewässer oder Schwimmbäder – nicht richtig einschätzen können? Natürlich ist jeder und jede Ertrunkene einer und eine zu viel. Es waren 537 Menschen im Jahr 2016, und das sind ganz erschütternde Nachrichten. Damit muss man sich beschäftigen.
Damit muss man sich unter folgendem Aspekt beschäftigen: Was können eigentlich Bund, Länder und Gemeinden für die Schwimmfähigkeit und dagegen tun, dass insbesondere junge Menschen nicht mehr schwimmen lernen und die Gefahren vollkommen falsch einschätzen, dass sie damit überhaupt nicht umgehen können? Was können wir in Bund, Ländern und Kommunen mit den so unterschiedlichen Zuständigkeiten dafür tun? Das kann man mit aller Ernsthaftigkeit diskutieren. Aber mich nervt die platte Art, mit der das hier aufgemacht worden ist; das muss ich in Richtung der Linken ehrlich sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Das hat einfach was damit zu tun, dass wir politisch dazu was zu sagen haben!)
– Das nervt wirklich, Jan Korte; das sage ich ganz ehrlich.
Ich finde, wir sollten darüber sprechen, und da gibt es für mich zwei Möglichkeiten.
Die eine ist: Wir drängen mit Verve darauf, dass der Sportminister – das ist der Innenminister – dieses Thema auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz setzt und fragt: Was können wir eigentlich gemeinsam in dieser föderalen Struktur dagegen tun, dass das so ist?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Welchen Beitrag können unsere Bundesländer dazu leisten?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gemeinsam!)
Da möchte ich die Sportstunden und die Lehrpläne erwähnen; denn darum geht es auch. Was können wir also mit den verteilten Rollen dazu tun? Das hat die DLRG im Sportausschuss auch vorgetragen. Wir können darüber nicht einfach nur mal so in einer Aktuellen Stunde reden. Das Problem ist viel zu dramatisch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Deshalb müssen wir uns intensiv damit beschäftigen.
Die Menschen interessiert diese föderale Struktur nicht,
(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: So ist es!)
sondern sie wollen, dass das Problem gelöst wird. Deshalb kann von uns heute ein Signal ausgehen: Innenministerium, Sportminister, kümmert euch darum! Setzt das auf die Tagesordnung! – Das Gleiche gilt für die Kultusministerkonferenz. Darüber könnten wir nämlich an die Lehrpläne heran.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das war der erste Punkt, den ich dazu sagen wollte.
Der zweite Punkt. Mein Gefühl ist, dass wir die notwendige Debatte über das Thema Investitionsfähigkeit und das Thema Investitionsnotwendigkeit – darüber sind wir uns in den vergangenen drei Jahren einig gewesen – nicht intensiv genug geführt haben. Der Investitionsstau – das zeigt uns das KfW-Kommunalpanel – ist enorm. Er beträgt über 130 Milliarden Euro. Wir haben in den letzten dreieinhalb Jahren hier im Bundestag immer gesagt: Lasst uns in aller Ernsthaftigkeit darüber reden: Wie kann der Bund hier mehr Verantwortung übernehmen, obwohl wir das Kooperationsverbot haben?
Deshalb waren wir sehr froh, dass das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz uns wenigstens den Einstieg gegeben hat in der Frage: Können wir Investitionen in Kommunen fördern? Vielen Kommunen geht es nämlich so schlecht, dass sie notwendige Investitionen in die kommunale Daseinsvorsorge nicht mehr leisten können. Das muss auch von uns auf Bundesebene erkannt werden; auch wir müssen Ideen haben, wie wir einen Beitrag dazu leisten können. Aber zu sagen: „Für jedes geschlossene Schwimmbad sind wir hier auf Bundesebene zuständig“ –
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das hat doch keiner gesagt!)
so einfach ist die Welt doch nicht, Jan Korte und André Hahn.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Die CDU klatscht, Britta! Das sind eure neuen Freunde! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Euch steht das Wasser wirklich bis zum Hals!)
Deshalb brauchen wir konkrete Anknüpfungspunkte. Ein Beispiel ist das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, bei dem wir gemeinsam feststellen könnten: Da muss mehr Geld rein; die 3,5 Milliarden Euro, die da drin sind, reichen nicht aus.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Es geht hier um Strukturen!)
Oder: Der Katalog der Zwecke für diese kommunalen Investitionsförderungen muss erweitert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, das auf den Schulbereich auszuweiten, weil wir gesehen haben: Da brauchen Kommunen Unterstützung.
Genauso könnten wir diskutieren, die Gemeinschaftsaufgabe, die 2020 neu aufgelegt werden soll und die jetzt für Agrarstruktur und Küstenschutz gilt, auf die regionale Daseinsvorsorge zu erweitern. Es ist unsere Aufgabe, das hier zu tun. Aber ob ein Bad geöffnet bleibt oder geschlossen wird, ob es einem Privatisierungsdruck unterliegt oder wie viele Bäder eine Stadt hat, sind Fragen, die von ganz vielen verschiedenen Faktoren in der Stadt oder Gemeinde abhängen.
Vizepräsidentin Michaela Noll:
Liebe Kollegin.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir sollten uns auf die Möglichkeiten konzentrieren, die wir geben können – hier noch mal die Stichworte –: Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, Ausweitung auf die regionale Daseinsvorsorge bei der Gemeinschaftsaufgabe. Das wären zwei sehr konkrete Anknüpfungspunkte, zusätzlich zu der Frage: Wie sieht es mit der Schwimmfähigkeit in Deutschland aus? Wenn wir das so machen, würde es auch für diese Frage eine Lösung geben.
Vizepräsidentin Michaela Noll:
Frau Kollegin.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das fände ich gut.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)