Vergrößerung des Bundestages verhindern

3. Juli 2020

Seit 2013 wird über eine Reform des Wahlrechts debattiert. Im Frühjahr 2018 haben sich die Bundestagsfraktionen unter Leitung des Bundestagspräsidenten Schäuble zusammengesetzt, um zu beraten, wie ein übergroßer Bundestag vermieden werden kann – leider ohne Ergebnis.

Insbesondere die Union war nicht bereit, sich auf echte Lösungen einzulassen. Bei der SPD wusste lange niemand so recht, was sie wollte. Damit es trotz der Blockade der Koalition die Chance auf eine Wahlrechtsreform gibt, haben Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP Bundestagsfraktion, und Friedrich Straetmanns, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, deshalb im Oktober 2019 einen Gesetzentwurf zum Wahlrecht vorgestellt. Denn wir sind gemeinsam der Auffassung, dass der nächste Bundestag nicht noch größer werden darf und dass wir an den Grundsätzen unseres bewährten personalisierten Verhältniswahlrechts festhalten sollten.

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Warum der Bundestag immer größer wird

Laut Wahlgesetz sollen es im Bundestag 598 Abgeordnete sein – 2013 waren es aber 630, seit 2017 gibt es 709 Abgeordnete und – gemessen an aktuellen Umfragewerten – könnten es ab der nächsten Bundestagswahl vielleicht noch mehr werden. Der enorme Aufwuchs von Mandaten liegt vor allem an den Überhangmandaten. Diese entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate erhält, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würde. Die Überhangmandate machen wiederum einen Ausgleich für die anderen Fraktionen erforderlich. Verstärkt wird der Ausgleichsbedarf zusätzlich durch einen Rechenschritt, dem sogenannten Sitzkontingentverfahren. Diese Vorabberechnung bezieht sich auf Wahlergebnisse in den einzelnen Bundesländern.

Personalisiertes Verhältniswahlrecht als Basis

Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Reform des Wahlrechts ist für uns das personalisierte Verhältniswahlrecht. Das Wahlergebnis darf nicht verzerrt werden und die Sitzverteilung im Bundestag muss das Ergebnis der Zweitstimmen eindeutig widerspiegeln. Denn für uns Grüne im Bundestag ist klar, dass jede Stimme gleich viel wert ist. Dieses System hat sich bewährt, ist den Wählerinnen und Wählern vertraut, wird in der Bevölkerung getragen und stößt auf breiten politischen Konsens.

Reduzierung der Wahlkreise – Vermeidung von Überhangmandaten

Unser Gesetzentwurf sieht deshalb drei konkreten Maßnahmen vor, mit denen verhindert wird, dass der Bundestag weiter wächst:

  • Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 250
  • Abschaffung des Sitzkontingentverfahren
  • Moderate Erhöhung der Gesamtsitzzahl von 598 auf 630

Wenn es weniger Direktmandate gibt, werden so Überhangmandate stärker vermieden. Eine Wahlkreiskommission soll innerhalb von drei Monaten einen Vorschlag erarbeiten, wie die Wahlkreise neu zugeschnitten werden. Der Bundestag stimmt dann über diesen Vorschlag ab.

Die Vorschläge der Union, die darauf zielen, Überhangmandate einfach nicht auszugleichen, sind nicht akzeptabel. Dies widerspricht dem System der Verhältniswahl, denn somit würde das Zweitstimmenergebnis erheblich verzerrt werden. Jede Stimme wäre nicht mehr gleich viel wert. Die Regierungsmehrheit muss die Wählermehrheit widerspiegeln und darf sich nicht aus dem Zufall von Überhangmandaten ergeben.

Die Zeit für eine Reform wird knapp

Die Zeit für eine Wahlrechtsreform drängt und das Zeitfenster wird immer kleiner. Denn jetzt beginnen die ersten Aufstellungen von KandidatInnen in den Wahlkreisen. Die Koalition hat unseren Gesetzentwurf wiederholt blockiert und selbst keine eigenen Vorschläge vorgelegt. Die SPD fand erst im März dieses Jahres zu einer Position, die bisher allerdings nur als Beschlusspapier der Fraktion existiert. Die Unionsfraktion brauchte noch länger: Erst jetzt Anfang Juli, wo unser Gesetzentwurf im Bundestag abgeschlossen werden soll, konnten sich CDU und CSU auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Bereits jetzt wird aber offenkundig, dass sich SPD und Unionsfraktion so schnell nicht auf eine gemeinsame Position der Koalition einigen werden können.

Wegen der Uneinigkeit zwischen Union und SPD haben sie bisher die abschließende Beratung unseres Vorschlags im Plenum verhindert. Für weitere Gespräche für eine Wahlrechtsreform sind wir offen, nur muss die Koalition rechtzeitig einen gemeinsamen Entwurf vorlegen. Es droht aber, dass weitere wichtige Zeit verloren geht.